Über diese Seite

Offizielle Seite über Prof. Dr. Hans Hübner,
Ordinarius für Chemie an der Georg August Universität Göttingen bis 1884.


Hübner, ein angesehener Forscher und beliebter Wissensvermittler im Fach Chemie und erfolgreich tätig an der Seite von Friedrich Wöhler in dessen Chemischem Institut und später sein Nachfolger, gehörte zu den spezialisierten Organikern und forschte hauptsächlich über Substitutionsreaktionen am Benzolkern. Er entdeckte u. a. das AcroleÏn und das Cyanacetyl.

Leider verstarb Hans Hübner bereits 1884 im Alter von nur 47 Jahren an einem Herzschlag, so dass auf das Leben und Wirken dieses begabten Forschers ein nur knapper Fokus von 10-20 Jahren gerichtet werden kann.

Wir als Nachfahren von Hans Hübner haben im Rahmen der Forschungsarbeiten über seinen Vater Julius Hübner und in Erarbeitung des Nachlasses von Hans Hübner eine Vielzahl bisher unveröffentlichter Informationen gewonnen, die wir an dieser Stelle nach und nach Interessierten zugänglich machen möchten.

Kleiner Ausschnitt aus dem umfassenden, noch zu sichtenden Nachlass von Hans Hübner

Denn das Werk von Hans Hübner ist durch seine kurze Schaffensperiode rasch in Vergessenheit geraten und kaum ausführlicher beleuchtet worden. So eröffnet uns erst die nähere Beschäftigung mit dieser Fülle an „Papieren“ den Fundus an Erkenntnissen, wie zu dieser Zeit geforscht, gestritten, kommuniziert und gelebt wurde. Und wie seinerzeit in der Chemie erste Grundsteine gelegt wurden. Gerade bei einer Persönlichkeit wie dem vielfältig gebildeten und interessierten Hans Hübner, der sich neben seiner fachlichen Kompetenz auch stets kulturell und sozial engagierte und ein großes internationales Netzwerk zu interessanten Persönlichkeiten pflegte, bietet der Nachlass einen unschätzbaren Fundus, der zuweilen selbst von Familienmitgliedern verkannt wird.

Schon jetzt können wir sagen, dass sich die Mühe lohnt, den Nachlass Hans Hübner auch nach so langer Zeit sichtbar zu machen. Wir erheben dabei keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern sehen diese Seite als eine Ergänzung zu den bislang wenigen bestehenden Informationen zu Hans Hübners Lebenswerk.

Darüber hinaus empfehlen wir einen Besuch des Museums der Göttinger Chemie, dem die Familie bereits 1993 einige Dokumente und Autographen aus dem Nachlass Hans Hübner übereignet hat. In diesem Museum wird u.a. auch der Kontext von Hans Hübners Wirken, die Entstehung und Entwicklung des Instituts und das Zusammenwirken der herauragenden Kapazitäten der Zeit in den Anfängen der Chemie deutlich.

D A N K

Wir danken für die selbstlose und vielfältige fachliche Unterstützung bei der Recherche und Zusammenstellung:

  • Dr. Günther Beer, Göttingen
  • Dr. Hans Friedrich Hübner, Kiel
  • Dr. Rupert Rebentisch, Bad Vilbel
  • Museum der Göttinger Chemie

Doch diese Website konnte überhaupt erst durch das ehrenamtliche Engagement von Sven Gerber entstehen, der sich sehr schnell und mit Begeisterung in die Materie eingearbeitet und dankenswerterweise die von uns zusammengetragenen Informationen vertieft, kritisch würdigt und mehrheitlich auf dieser Website dargestellt hat. Dafür ein ganz besonderer Dank!

Frankfurt am Main im November 2018 bis heute

 

Prof. Peter W. Hübner

Vita

Julius Anton Eduard Johannes (Hans) Hübner
(vollständiger Name gemäß Geburtsurkunde. Quelle: Nachlass Hübner)

1837
geboren am 13. Oktober in Düsseldorf
(Taufpaten: Carl Sohn und Adolph Erhardt, beide Malerkollegen des Vaters an der Düsseldorf Malerschule, sowie Marie Rietschel, Ehefrau des Bildhauers Ernst Rietschel)
Quelle: Taufurkunde Nachlass Hans Hübner

Eltern: Prof. Dr. Julius Hübner, Maler, Mitbegründer der Düsseldorfer Malerschule, Direktor der Königlichen Gemäldegalerie Dresden und Professor für Historienmalerie an der Kunstakademie Dresden.
Pauline Hübner, geb. Bendemann

1840
Übersiedlung nach Dresden

1847
Dresden, Blochmannsches Institut (Gymnasium)

1854
Königl. Sächsische Polytechnische Hochschule, Dresden

1857
Universität Göttingen, Studium der Chemie. Schüler von Friedrich Wöhler
– 5 Semester Tätigkeit in Wöhlers Laboratorium
– Hörte Vorlesungen bei Limpricht, Geuther, Wilhelm Weber und Stern

1859
Promotion zum Dr. phil. „Über das Acroleïn“ zusammen mit Anthon Geuther
Dissertation Hans Hübner in: Justus Liebigs Annalen der Chemie 114, S. 25-51

1859
Universität Heidelberg, Studium bei Robert Wilhelm Bunsen

1860
Universität Gent, Assistent bei August Kekulé
(Hübner folgt Ende Sommer 1860 einer Aufforderung von Kekulé, um in dem von ihm nach deutschem Vorbild errichteten Chem. Institut zu arbeiten. Hier reift auch sein Entschluss, sich der Lehrtätigkeit zu widmen.)

1860
Veröffentlichung der Arbeit über Acetylcyanid, die Grundlage für die spätere Synthese des Cyanphosphors

1861
Besuch der École de Médicine de Paris, Lehrstuhl für Chemie

1862
Rückkehr nach Göttingen | Einrichtung eines Privatlabors
(Pauliner- oder Johannisstraße)
Wohnsitz in der Bürgerstraße, Göttingen

1862
Entdeckung des Cyanacetyls (Publikation)

1862
Mitgliedschaft im Literarischen Museum Göttingen

1863
Privatdozent

1863
Habilitation
Arbeit im Universitätslaboratorium

1864
Assistent am Chemischen Laboratorium der Universität Göttingen bei Friedrich Wöhler

1864-1872
Mitherausgeber der einst von Kekulé begründeten „Zeitschrift für Chemie“ neben Friedrich Konrad Beilstein und Rudolph Fittig

1865
„Venia legendi“ (Lehrbefugnis) ohne Zeitbeschränkung

1870
Ernennung zum Außerordentlichen Professor der Chemie an der Universität Göttingen

1870
Die bislang von Wöhler abgehaltenen chemischen Examina wurden im März Karl Boedeker und Hans Hübner alternierend übertragen.
(Dekanatsakte Philos. Nr. 155 (1870) fol. 278ff)

1870
Ernennung zum Auswärtigen Mitglied in der Deutschen Chemischen Gesellschaft Berlin

1871
Wahl als Assessor in die Königliche Gesellschaft der Wissenschaften, Göttingen

1874
Ernennung zum Ordinarius / Ordentlichen Professor der Chemie an der Philosophischen Fakultät.

1874
F. Wöhler überließ zu seiner Entlastung Hübner seine gesamten Vorlesungen

1874
Mitdirektor des Chemischen Laboratoriums, Göttingen

1876
Ordentl. Mitglied d. Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften, Göttingen

1879
Bezug Wohnung Bürgerstr. 1a, Göttingen

1882
Alleiniger Direktor des Chemischen Instituts Göttingen (nach Wöhlers Tod)

1883
Übersiedlung in die Dienstwohnung von Friedrich Wöhler (Hospitalstraße 10, Göttingen)

„Das Wohnhaus des Direktors des chemischen Laboratoriums Göttingen von der Bürgerstraße über den Wall herüber gesehen“ (Zeichnung: zugeschrieben Emil Peterson, Schwager von Hans Hübner)

1884
(† Sonntag, 13. Juli) Göttingen. Tod durch Herzschlag

Nekrolog über Hans Hübner von Friedrich Konrad Beilstein, St. Petersburg

Der Wissenschaftler

Auf Wöhler folgte für die organische Chemie in Göttingen eine kürzere Periode, die durch Hans Hübner und Victor Meyer geprägt war. Sie beide hatten sich vornehmlich und frühzeitig einem Gebiet verschrieben, das an den Universitäten und als Basis einer rasch aufblühenden Industrie bald größte Bedeutung erlangte. Dies war die Chemie der neuen Stoffe aus dem Teer. Man war von den Reaktionen und den Verwendungsmöglichkeiten dieser Verbindungen derart begeistert, dass man sie trotz der zumeist unangenehmen Geruchswirkungen wohlwollend als Aromaten bezeichnete. Die „Aromatenchemie“ hatte 1865 mit der Formulierung der Benzolformel durch Kekulé und nachfolgende Synthesen wichtiger Farbstoffe vehementen Auftrieb erhalten.


Hübner stammte aus Düsseldorf. Er studierte bei Wöhler in Göttingen, bei Bunsen in Heidelberg und war Assistent bei Kekulé in Gent, bevor er sich 1862, gerade 25 Jahre alt, in Göttingen für das Fach Chemie habilitierte. Unter dem Einfluss der Benzoltheorie führte Hübner umfassende Untersuchungen über Substitutionen am Benzol sowieso zur Struktur und Isomerie der resultierenden Produkte durch. An einer dieser experimentell anspruchsvollen Arbeiten beteiligte sich auch der junge Doktorand und spätere Nobelpreisträger Otto Wallach.
Außerdem war Hübner durch seine Vorlesungen sowie als Betreuer der Praktika beliebt und anerkannt.

Künstlerische & naturwissenschaftliche Begabung – die Aufzeichnungen von Hans Hübner

Er liebte die Wissensvermittlung und war stets gut vorvereitet, was seine Aufzeichnungen belegen. Diese zeigen gerade in den Skizzen auch seine künstlerische Begabung, Zusammenhänge graphisch darzustellen.

Wöhler überließ ihm ab 1874 alle seine Vorlesungen, veranlasste seine Ernennung zum Ordinarius und machte ihn zum zweiten Institutsdirektor. Nach dem Tode Wöhlers 1882 wurde Hübner verantwortlicher Institutsdirektor. Tragischerweise starb Hübner bereits zwei Jahre später, womit die erfolgreiche Arbeit eines vielseitigen und verantwortungsvollen Wissenschaftlers allzu früh endete.

Veröffentlichungen (Auswahl)

(Erste, noch unvollständige Übersicht von 16 wiss. Publikationen)

  • Über das AcroleÏn *; von Hans Hübner mit Anton Geuther 
    Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Philosophischen Doktorwürde in Göttingen von Hans Hübner
    E.A. Huth, Universitäts-Buchdruckerei (1859)
  • Quelques Dérivés du chlorure d’acétyle *
    le Docteur H. Hübner
    in Académie Royale des Sciences des Lettres et des Beaux-Arts,
    Bruxelles 1861
  • Ueber Cyanacetyl; von H. Hübner (Link zur Online-Publikation)
    in Justus Liebig’s Annalen der Chemie 124. Band S.315-324 (9.1862)
    (Rund um diese Veröffentlichung gab es einen Eklat, da angenommen wurde, der Chemiker Prof. Hermann Kolbe hätte nach einem Besuch in Göttingen das Thema bei Hübner für sich reklamiert und rasch noch vor Hübner veröffentlicht.) mehr
  • Umwandlung der Benzoësäure in Salicylsäure *;
    von H. Hübner und A. Petermann (Juni 1868)
  • Ueber die Vertretbarkeit der Amidogruppe durch Wasserstoff;
    von H. Hübner und A. Petermann (Juni 1868) *
  • Ueber Isomerieen der aromatischen Säuren *
    II. Amidobenzoesäure aus Parachlorbenzoesäure und Chlorsalylsäure
    von H. Hübner und R. Biedermann (1868)
    in Annalen der Chemie und Pharmacie CXLVII. Band (147. Band), drittes Heft (1868)
  • Ueber die Stellung der Wasserstoffatome im Benzol;
    von H. Hübner und J. Alsberg (1870)
  • Untersuchungen über Glycerin- und Alkylverbindungen
    und ihre gegenseitigen Beziehungen;

    von H. Hübner und Karl Müller (1871)
  • Ueber isomere Dinitrophenole *;
    von H. Hübner und Werner Schneider.
    in Annalen der Chemie und Pharmacie 167. Band (12.1872)
  • Ueber die Natur einer Sulfo- und Sulfnitrobibrombenzolsäure *
    von H. Hübner und R. Douglas Williams
    in Annalen der Chemie und Pharmacie 167. Band (1873)
  • Ueber Bromtoluole und Verhalten ihrer Wasserstoffatome;
    von H. Hübner und J. Post. (1873)
  • Bemerkung zu der Mitteilung von H.E. Armstrong und E.W. Prevost: „Ueber das Verhalten des bei 45° schmelzenden Nitrophenols gegen Brom und Chlor“ *
    von H. Hübner
    in Berichte der Deutschen Chemischen Gesellschaft 1874
  • Ueber Nitrosalicylsäuren und die Isomerieen der Benzolabkömmlinge *;
    von H. Hübner.
    in Justus Liebig’s Annalen der Chemie 195. Band (9. 1879)
  • Ueber Anhydroverbindungen:
    von H. Hübner.  F o r t s e t z u n g
    Diphenyl, Diphenylabkömmlinge und eine Anhydrobase des Diphenyls *;
    in Justus Liebig’s Annalen der Chemie 209. Band (1881)
  • Ueber Anhydroverbindungen:
    von H. Hübner.  F o r t s e t z u n g
    Anhydroverbindungen aus Paratoluylsäure und Diamiden *;
    in Justus Liebig’s Annalen der Chemie 210. Band (1881)
  • Ueber substituirte Benzoësäuren und über die Natur der Wasserstoffatome im Benzoel *;
    von H. Hübner. Erster Theil
    in Justus Liebig’s Annalen der Chemie 222. Band (1883)
    dazu: Handschr. Begleitschreiben von H. Hübner

* Original Sonderdruck in Sammlung Hübner

 

Exlibri von Hans Hübner, gezeichnet von Julius Hübner 1868.

In dem Exlibri kombiniert der Künstler Julius Hübner das Familienwappen mit dem Schillerschen Zitat. Die Methapher »Zum Teufel ist der Spiritus, das Phlegma ist geblieben« aus Schillers Gedicht »Kastraten und Männer« (später als »Männerwürde« neu betitelt; erschienen in der »Anthologie auf das Jahr 1782«) bezieht sich auf die Alkoholdestillation, bei der nach der Herstellung des Alkohols, des »Spiritus« (= Branntwein), eine wässrige, fade schmeckende Flüssigkeit zurückbleibt, die in der älteren Chemie als »Phlegma« bezeichnet wurde. Als Waagschalen dienen hier zwei Schädelhälften.
Mit dem Zitat kommentiert man auch eine Situation, in der der anfängliche Schwung und die Begeisterung nachgelassen haben und eine eher resigniert-phlegmatische Einstellung sich breit gemacht hat.

 

Der Privatmann

Abb: Briefsiegel Hans Hübner


  • Seine Geschwister:
    • Emma
    • Paul
    • Emil
    • Fanny
    • [HANS]
    • Franz
    • Eduard
    • Martin

  • 1879: Hochzeit mit Louise Peterson (1855 – 1935), Tochter von Gustav Peterson, Direktor der Oberrechnungskammer, Potsdam (heute Bundesrechnungshof). Diese lernte Hübner bei einem Ferienaufenthalt auf der Nordseeinsel Borkum kennen.
  • Kinder:
      • Julius (1880 – 1915)
        Oberstleutnant, gefallen 31.5.1915 bei Fresnoy en Gortelle (Flandern)
      • Therese (1880 –  1968), Verwaltungsassistentin am Chemischen Universitäts-Laboratorium Göttingen, zuletzt Sekretärin von Prof. Adolf Windaus
      • Walther (1882 – 1973), Theologe / Pfarrer
    • Konrad (1884 – 1975) geboren 3 Wochen nach dem Tode des Vaters. Landgerichtspräsident in Kassel

Louise und Hans Hübner
Die Wittwe Louise Hübner mit den Kindern Konrad, Walther, Therese und Julius (um 1885)
Louise Hübner mit den Kindern Therese und Walther
Hans Hübner mit Tochter Therese

  • Interessen:
      • Hans Hübner war vielseitig interessiert und hatte auch künstlerische Neigungen. Er strebte ursprünglich einen technischen Beruf an, gab die Vorstellung dann aber zu Gunsten des Berufes eines Apothekers auf, wofür er dann das Chemiestudium  begann.
      • Hübner war ein passabler Violinspieler und zeichnete auch gelegentlich, wovon einige Skizzenbücher zeugen. Die zeichnerische Begabung kam auch in seinen wissenschaftlichen Aufzeichnungen zum Tragen, wo er mit druckreifen Skizzen der Versuchsanordnungen oder Gerätschaften die Texte illustrierte.
    • Zudem war Hans Hübner ein großer Kenner der Pflanzenwelt.