Friedrich Wöhler Medaille

Anläßlich des 80. Geburtstages von Friedrich Wöhler am 31.7.1880 wurde der Bildhauer und Medailleur Eduard Lürßen beauftragt, eine Ehrenmedaille zu fertigen. Friedrich Wöhler erhielt eine Ausfertigung in Gold. Weitere existieren in vergoldeter Bronze. Eine dieser Medaillen – vermutlich ein Geschenk an die Anwesenden – hat sich im Nachlaß Hans Hübner erhalten.

Nachrufe auf Hans

 Friedrich Konrad Beilstein
Nekrolog auf Hans Hübner
aus: Berichte der Deutschen Chemischen Gesellschaft.
Jhrg. XVII. Heft 19, Berlin 1884

Im Jahre 1884 hat der Tod eine reiche Ernte unter den Chemikern gehalten. Wie viel glänzende Sterne der Wissenschaft sind in kurzer Frist erloschen! Berührt uns das Hinscheiden eines hochbetagten, berühmten Forschers nahe, so erkennen wir doch in einem solchen Verlust die unfehlbare Forderung des Laufes aller Dinge. Mit ganz anderen Gefühlen treten wir an das Grab eines jungen Forschers, der in der Blüthe der Jahre, im Vollbesitze aller Kräfte vom unerbittlichen Schicksale abberufen wurde. Das war nicht ein müder Arbeiter, dessen altersschwache Hände längst nicht mehr das Handwerkzeug zu halten vermochten; hier ist uns ein Genosse, ein Lehrer und Mensch entrissen worden mitten aus seiner segensreichen Thätigkeit. Kurz war die Spanne seines Lebens, und doch wie viel hatte er bereits geleistet, wie viel gewirkt und genützt, und wie viel hätte eine so seltene, treue, ungewöhnlich ausdauernde Kraft noch geleistet!

Hans Hübner wurde am 13. October 1837 in Düsseldorf geboren. Sein Vater war der bekannte, hervorragende Maler Julius Hübner, Director der Dresdener Gemäldegallerie. Die Gymnasialbildung erhielt Hübner in Dresden im Blochmann´schen Institut (1847-1854), besuchte 1854 bis 1857 die polytechische Schule in Dresden und bezog im Frühjahr 1857 die Universität Göttingen, wo er alsbald einer der eifrigsten Schüler unseres unvergesslichen Meisters W ö h l er wurde. Hier promovirte Hübner am 1. November 1859 zum Doctor der Philosophie und blieb dann ein Jahr in Heidelberg, wohin ihn der Ruhm des gefeierten Lehrers dieser Hochschule B u n s e n lockte. In Heidelberg hatte sich Hübner wesentlich mit unorganischer Chemie beschäftigt; um nun auch in der organischen Chemie sein Wissen zu bereichern, reiste H ü b n er im Herbst 1860 nach Gent, um dort in dem neu eingerichteten Laboratorium unter K e k u I é‘ s Leitung zu arbeiten. Der Aufenthalt in Gent wurde für Hübne r’s Zukunft bestimmend. Angeregt durch den belebenden, geistigen Verkehr in K e k u I e‘ s Laboratorium entschloss sich Hübner, der lieb gewordenen Wissenschaft nicht mehr zu entsagen. Als Frucht seines Fleisses in Gent erschienen die Arbeiten über Acetylcyanid, welche den ersten Grund legten zu der später bewirkten Synthese des Cyanphosphors.

Hübner kehrte 1862 nach Göttingen zurück und richtete sich ein Privatlaboratorium ein, das er aber schon 1863 aufgab, um in im Universitätslaboratorium zu arbeiten. Im selben Jahre habilitirte er sich und wurde am 19. December 1864 als Assistent am Universitätslaboratorium angestellt. Nun begann für ihn eine Zeit des Fleisses und der rastlosen Thätigkeit, die buchstäblich andauerte bis er den letzten Athemzug gethan. Zu den vielen Berufsarbeiten und der rein wissenschaftlichen, experimentellen Thätigkeit kam nun auch noch eine mühsame literarische Arbeit hinzu. Im Verein mit Fittig und Hübner übernahm der Unterzeichnete im Jahre 1865 die Herausgabe der einst von Kekulé u. A. begründeten „Zeitschrift für Chemie“ auf neuer Grundlage. Wir schufen ein Organ, das kurz, aber vollständig, über alle Erscheinungen der Chemie berichten sollte. Das Anfertigen der Referate übernahmen Fittig und ich, die ganze Last der Redaction, Correspondenz, Correctur und des Registers ruhte auf Hübner. Und dies dauerte fort, bis durch Gründung der deutschen chemischen Gesellschaft ein ergiebigerer Brennpunkt des chemischen Wirkens geschaffen wurde. Nicht ohne Rührung gedenke ich der glücklichen Tage, wo wir alle drei als Gehülfen des gefeierten Meisters Wöhler unserem Berufe lebten. Des Tags über wurden die Arbeiten vertheilt und besprochen, die am Abend auszuführen waren oder bereits fertig vorlagen und am Sonntag empfing uns das gastfreie Haus Fittig’s, wo die junge, liebenswürdige Gattin unseres Collegen, welche leider den Ihrigen so früh durch den Tod entrissen wurde, den Sinn auch für andere als chemische Fragen zu fesseln verstand. Es war ein günstiges Zusammentreffen, dass die drei Collegen nicht blos durch die Arbeiten der »Redaction« oder das Wirken am Laboratorium zusammengehalten wurden, sondern auch durch die Bande einer innigen Freundschaft. Allein allmählich löste sich das Band: erst verliess der eine und dann der andere der Collegen den Musensitz an der Leine und Hübner blieb allein zurück. Er wurde am 14. März 1870 ausserordentlicher Professor und am 7. Mai 1874 zum ordentlichen Professor in der philosophischen Fakultät befördert. Unserem Meister war die Arbeit allmählich zu schwer geworden und daher erfolgte bereits am 21. October 1874 die Ernennung Hübner’s zum Mitdirektor des chemischen Laboratoriums. Nach Wöhlers Tode (23. September 1882) wurde Hübner alleiniger Direktor des Laboratoriums und im darauffolgenden Jahr übersiedelte er in die Wohnung seines berühmten Vorgängers, die er nicht mal ein Jahr lang bewohnen sollte!
Am 27. November 1871 wurde Hübner als Assessor in die physikalische Klasse der Königl. Gesellschaft der Wissenschaften in Göttingen gewählt, der er vom 2. December 1876 an als ordentliches Mitglied angehörte.

Der uneigennützige Charakter, den wir aus Hübner’s Privatleben kannten, tritt uns auch in seiner wissenschaftlichen Tätigkeit entgegen. Da findet sich in keiner Periode seines Schaffens jene hastige Arbeit, die nach äusseren Erfolgen drängt, da werden keine Themata gewählt, die ein mit leichter Mühe erreichbares Resultat vorhersehen lassen, das zur »Publikation« geeignet ist, keine Aufgaben werden in Angriff genommen, deren Lösung weniger von theoretischem als von praktischem Interesse zu werden verspricht: fast die ganze Lebensarbeit Hübner’s wendet sich Zielen zu, die von vorne herein nur durch sehr langwierige und gewissenhafte Arbeit erreichbar erscheinen. Sein Streben ging nie dahin, die Theorie durch Entdeckung der verschiedenartigsten neuen Verbindungsgruppen bereichern zu wollen, deren Auffindung ein geschicktes Tasten im Unbekannten vorraussetzt. Wichtiger schien es ihm; eine sichere Orientirung auf bereits gewonnenem Gebiet anzustreben, als eine Methode anzuwenden, welche auf die Erschliessung neuen Terrains gerichtet ist. Hübner’s Untersuchungen mögen daher zum Theil Manchem reizlos erscheinen, im Gegensatz zu vielen anderen, ganz neue Gebiete erschliessenden Arbeiten – Entdeckungsreisen in noch unbekannten Ländern lesen sich allerdings angenehmer als Beschreibungen neuer geologischer Aufnahmen im längst bekannten Heimatlande – nur ein thörichtes Urtheil wird aber Arbeiten der Ietztern Art als minderwerthig mit Geringschätzung behandeln. Und so wird Keiner, der Hübner’s Arbeiten eingehend studirt, seine volle Anerkennung der sorgfältigen, peinlich gewissenhaften und selbstlosen Forschung versagen können, welche, getragen von echt wissenschaftlichem Geiste, auf jede äussere Anerkennung verzichtend, für die Forderung der Wissenschaft so viel wichtiger ist, als ruheloses, oberflächliches Schürfen auf allerlei Gebieten, das gelegentlich zu einem ergiebiegen Raubbau führen kann, aber sich nie die Zeit lässt, in die Tiefe der Dinge einzudringen und eine systematische Durcharbeitung des verschlossenen Gebietes in Angriff zu nehmen.
Die Frage, die sich wie ein rother Faden durch die überwiegende Mehrzahl der Arbeiten Hübner‘s zieht, ist die nach der Stellung der Wasserstoffatome im Benzol. Ein Schüler Kekule’s, ein Bewunderer und Anhänger dessen genialer Hypothese über die Constitution der Benzolverbindungen, ist Hübner auf das eifrigste thätig gewesen, um das experimentelle Material herbeischaffen zu helfen, welches für die Prüfung der Richtigkeit jener Anschauung von Belang war. Bedingung für die Lösung letzterer Aufgabe erschien aber von vorne herein ein sehr eingehendes Studium der Isomerieverhältnisse innerhalb der Benzolverbindungen und die Ermittelung, welche Beziehung die Wasserstoffatome im Benzol zu einander haben. Diesem ebenso viel Geduld wie Schärfe der Beobachtung verlangenden Studium sehen wir nun Hübner sich auf das eingehendste sie widmen. Ohne zu ermüden, stets das Ziel im Auge, führte er durch Jahre seine Untersuchungen fort und zahlreiche Abhandlungen, deren experimenteller Inhalt vielfach unter seiner speciellen Leitung von Schülern des Göttinger Laboratoriums ausgeführt worden ist, legen Zeugniss ab, mit welcher Rastlosigkeit die Arbeit dahinfloss.
Einem grossen Theil jener erfolgreichen Forschungen liegt folgende leitende und für den damaligen Stand der Kenntnisse sehr beachtenswerthe Idee zu Grunde. Man wusste, dass bei der Einführung mehrerer Atomgruppen in die Benzolverbindungen Isomeriefälle auftreten, die darin ihren Grund haben, dass die eingeführten Gruppen eine verschiedene gegenseitige Stellung zu einander haben. Bisher war man aber auf solche Isomerien nur sporadisch und zufällig gestossen. Es handelte sich nun darum, ein Verfahren zu finden, welches die Darstellung verschiedener isomerer Verbindungen der letztgenannten Gattung beliebig erlaubt und das namentlich ganz allgemein dahin führt, aus einer Grundverbindung alle möglichen isomeren Abkömmlinge darzustellen. Das von Hübner zur Lösung dieses Problems ersonnene Verfahren beruht nun – um seine eigenen Worte (Ann. Chem. Pharm. 149, 130) zu gebrauchen – darauf, »dass in dem einen Fall leicht verdrängbare Grundstoffatome einer Verbindung durch andere Bestandtheile einfach vertreten werden, in den übrigen Fällen aber vor dieser Vertretung eine oder mehrere Stellen in der Verbindung vorübergehend durch Ausfüllen mit Grundstoffen, die sich durch die einzuführenden Bestandtheile nicht verdrängen lassen, unzugänglich gemacht werden.« Die Anwendbarkeit dieser Methode, welche die Annahme zur Voraussetzung hat, dass gleichartige, z. B. chemisch negative Bestandtheile, wie CI, Br, NO2 in einer Verbindung dasselbe Wasserstoffatom verdrängen, wird nun an vielen Beispielen erprobt und bewährt gefunden. Es ergiebt sich z.B., dass, wenn man Toluol zuerst nitriert und dann amidirt, das bekannte (jetztige Para-) Toluidin entsteht. Wir aber Toluol bromirt, dann das Brom durch nascirenden Wasserstoff entfernt und gleichzeitig die Nitrogruppe in die Amidogruppe übergeführt, so bekommt man ein neues, von dem gewöhnlichen verschiedenes T o I u i d i n.

Aehnliches wird für die Darstellung von Oxyderivaten, Carbonsäuren, Sulfonsäuren u.s.w. des Benzol und seiner Homologen benutzt.

Ungemein zahlreiche neue Verbindungen werden nun im Verlaufe der einschlagenden Versuche dargestellt und beschrieben, manche von grossem Interesse und von besonderer Wichtigkeit, weil sie eben bis dahin unbekannt gebliebene Isomeriefälle an’s Licht ziehen. Es sei nur erinnert an die Isolirung des festen Bromtoluol aus dem bis dahin für einheitlich gehaltenen, bei der direkten Bromirung des Toluol entstehenden flüssigen Gemische.
Von den vielen neuen und interessanten Beobachtungen, welche sich in jenen Arbeiten Hübner’s finden, ist eine von besonderer Bedeutung; sie wird in der Geschichte der Theorie der Benzolverbindungen stets eine Rolle spielen und auf sie soll deshalb besonders hingewiesen werden.
In einer der frühesten Abhandlungen Hübner’s, die eine mit Ohly und Philipp gemeinsam ausgeführte Untersuchung bringt, wird die Thatsache mitgetheilt, dass beim Nitriren der gewöhnlichen Brombenzoesäure zwei isomere Bromnitrobenzoesäuren entstehen. Es verdient dabei heut, wo die Bedeutung krystallographischer Bestimmungen bei isomeren Substanzen so anerkannt ist, wohl hervorgehoben zu werden, dass Hübner (1867) die gefundenen isomeren Körper einem krystallographischen Vergleich durch 0. Philipp unterziehen liess »um zu sehen, ob die inneren Unterschiede auch durch Verschiedenheit an der Gestalt bemerkbar sind, und somit die Gestalt einen Rückschluss auf die Lagerung der Bestandtheile der Verbindungen gestattet« (Ann. Obern. Pharm. 143, 252).
Im Verfolg der eben erwähnten Beobachtungen fanden Hübner und Petermann nun (Ann. Obern. Pharm. 149, 129), dass, wenn man in den beiden isomeren Bromnitrobenzoesäuren Brom durch Wasserstoff ersetzt und gleichzeitig die Nitrogruppe in die Amidogruppe überführt, dass dann in beiden Fällen dieselbe Amidosäure und zwar Anthranilsäure entsteht. Die Kenntniss dieser Thatsache hat bekanntlich zur Klärung und Charakterisirung der Ortsverhältnisse innerhalb der aromatischen Reihe sehr wesentlich beigetragen. (Vergl. diese Berichte 1869, 140.)

Eine besondere Reihe von Versuchen Hübner’s richtet sich nun weiter darauf, die Gleichwerthigkeit der Wasserstoffatome im Benzol zu beweisen. Der Weg, der zur Erreichung dieses Ziels eingeschlagen wurde, ist dem oben erwähnten ganz entsprechend. So werden z. B. Anilin und Benzolsulfhydrat auf Umwegen durch Vertretung verschiedenen Wasserstoffatomen des Benzols dargestellt und die auf verschiedenen Wegen gewonnenen Körper als identisch befunden. Bei all seinen in dies Gebiet schlagenden Arbeiten ist dabei Hübner bemüht, sich frei von vorgefassten Meinungen und namentlich seine Argumentationen möglichst unabhängig von einem bestimmten Formelbild und von unerwiesenen Voraussetzungen zu halten. (Vergl. Ann. Chem. Pharm. 158, 33, 169, 1; diese Berichte, VIII, 3221.) Ebenso wird bei der Auswahl der zur Anwendung kommenden Untersuchungsmethoden streng kritisch verfahren. So ist es u. a. Hübner gewesen, der schon früh auf die jetzt allgemein anerkannte Thatsache hingewiesen hat, dass die Kalischmelze zu Ortsbestimmungen in der aromatischen Reihe „nur mit Vorsicht zu verwenden ist“, „da durch die Schmelze leicht eine zur ursprünglich entstandenen isomere Verbindung entstehen kann“ und „es nicht vorher zu sehen ist, ob sich nicht durch die Dauer der Schmelzung oder die Temperatur u.s.w. die Mengenverhältnisse der Isomeren willkürlich werde verändern lassen“. (Ann. Chem. Pharm. 162, 76.)
Die Resultate der Arbeiten, welche über specielle Isomerieverhältnisse in der aromatischen Reihe handeln, sind namentlich zusammengestellt in den Abhandlungen von Hübner und Schneider über isomere Dinitrophenole (Ann. Chem. Pharm. 167, 84), Hübner und Post über Bromtoluole und Verhalten ihrer Wasserstoffatome (Ann. Chem. Pharm. 170, 117), Hübner und Donglas Williams über die Natur einer Sulfo- und Sulfonitrobibrombenzolsäure (Ann. Chem. Pharm. 167, 117), Hübner über Nitrosalicylsäuren und die Isomerien der Benzolabkömmlinge, und endlich in der noch kürzlich erschienenen, sehr umfangreichen, jahrelange Beobachtungen zusammenfassenden Abhandlung über substituirte Benzolsäuren und die Natur der Wasserstoffatome im Benzol (Ann. Chem. Pharm. 222, 67, 166). Es ist nicht wohl möglich, den Gesammtinhalt dieser Arbeiten, den Gedankengang wir oben kennen gelernt haben, in kurzen Worten zu resumiren. Die darin enthaltenen unendlich zahlreichen Einzelbeobachtungen haben auch nur ihre Bedeutung als Ganzes. In wie weit Hübner aber der Aufgabe, die er sich gestellt hat, gerecht geworden ist, ersehen wir namentlich aus den letztgenannten Abhandlungen, durch deren Inhalt der Nachweis geführt wird, dass Nitrogruppen in mononitrirtem Benzol hauptsächlich solche Wasserstoffatome vertreten, welche zur Nitrogruppe in der Metastellung stehen, und zwar unbekümmert um vorhandene Carboxyl-, Amido-, Methylgruppen, wenn die Meta- Wasserstoffatome noch nicht ersetzt sind. Ferner wird darin ein neuer Beweis aufgestellt für das Vorhandensein von 2 Meta-Wasserstoffatomen im Benzol, und zwar durch das Studium der Umwandlungsprodukte der Metanitrometamidobenzoesäure.
Wenn, wie schon gesagt, die Benzolderivate als Lieblingsgegenstand der Hübner’schen Studien bezeichnet werden müssen, so belehrt uns ein Blick auf seine sonstigen Publikationen, dass er keineswegs ganz einseitig dieses Arbeitsfeld kultivirt hat.
Das Interesse, die Lagerungsverhältnisse der Atome organischer Verbindungen zu erforschen, sehen wir ihn auch auf die Verbindungen der Fettreihe übertragen. So nimmt er auf der Leipziger Naturforscherversammlung (1872) Gelegenheit, die Frage nach der Konstitution der Fumar- und Maleinsäure einer eingehenden Besprechung zu unterziehen, dazu veranlasst durch eine Reihe neuer Versuche, namentlich über die Molekulargrösse der betreffenden Verbindungen, welche er in Gemeinschaft mit Schreiber kurz vorher ausgeführt hatte. (Z. f. Chem. 1871, 712.) – Ebenso wendet er sich wiederholt den Glycerin- und Allylverbindungen zu. Schon 1859 (Ann. Chem. Pharm.·114, 35) publicirte er eine sehr interessante Abhandlung über das Akrolein in Gemeinschaft mit A. Geuther. Ein später ausgeführter Versuch, ob man nicht einen mit dem gewöhnlichen Allylalkohol isomeren Alkohol darstellen könne, führt zwar zu einem negativen Resultat, aber (gemeinsam mit K. Müller) wird gezeigt, dass der Allylalkohol, welcher aus dem bei 174° siedenden Dichlorhydrin durch Chlorentziehung entsteht, wenn er wieder mit Chlor verbunden wird, das isomere, bei 182° siedende Dichlorhydrin giebt, und dass das rohe, aus Glycerin und Salzsäure darstellbare Dichlorbydrin ein Gemenge dieser beiden Isomeren ist. (Ann. Chem. Pharm. 159, 168.) Bei der Fortsetzung dieser Arbeiten (diese Berichte XIII, 460; XIV, 207) wird dann ein Dijodpropylalkohol kennen gelehrt.
Besonders muss aber daran erinnert werden, dass H üb n er der Entdecker des Cyanacetyl ist, das aus Cyansilber und Acetylchlorid darzustellen ihm gelingt und dessen Umwandlung in eine polymere Modifikation er gleichzeitig beobachtet. Beide Verbindungen wurden ausführlich und sorgfältig studirt (Ann. Chem. Pharm. 120, 334, 124, 315) und die gemachten Erfahrungen später für die Darstellung von Cyanessigsäurebromid, Bromessigsäurecyanid und Valeriansäurecyanid verwerthet. (Ann. Chem. Pharm. 131, 66.) Die Ueberführung dieser interessanten Säurecyanide in die zugehörigen Ketonsäuren, mit der Claisen sich später so erfolgreich beschäftigte, war auch von Hübner in Aussicht genommen, wie seine Abhandlung über die „Phenoxylsäure“ zeigt. (Diese Berichte X, 479.)
Das Studium der Cyanverbindungen führt ihn auch zur Entdeckung einer merkwürdigen Reaktion zwischen Chloral und Acetonitril (diese Berichte VI, 109). Ferner werden neue Verbindungen erhalten durch die Wechselwirkung zwischen Jodcyan und verschiedenartigen Aminen und namentlich Diaminen (diese Berichte IX, 776; X, 1715). So entsteht aus Orthodiamidobenzol und Jodcyan eine Base von der Formel [C6; H4 (NH)2]2 C.

Zu einer anderen Gruppe von Arbeiten, meist älteren Datums, gehören Versuche über die Einwirkung von Phosphorpentachlorid auf Acetylchlorid (Ann. Chem. Pharm. 120, 330). Als Reaktionsprodukte werden die Chloride der gechlorten Essigsäuren aufgefunden, deren Bildung das später so oft beobachtete Verhalten des Phosphorpentachlorid als PCl3 und freies Chlor bei chemischen Umsetzungen illustrirt. Gleichzeitig wird aber festgestellt, dass zum Theil der Sauerstoff der Carbonylgruppe durch Chlor ersetzt worden ist. Nach einer Reihe von Jahren werden diese Versuche in Gemeinschaft mit Fr. C. G. Müller wieder aufgegriffen und der Nachweis geführt, dass die·Wechselwirkung zwischen Phosphorpentachlorid und Acetylchlorid bis zur Bildung von Chlorkohlenstoff, C2 Cl6, führen kann (Zeitschr. f. Chem. 1870, 328).
Von umfangreichen Arbeiten endlich aus dem Gebiet der organischen Chemie, welche den Dahingegangenen und auf seine Veranlassung viele seiner Schüler bis in die neueste Zeit beschäftigten, sind in Jedermanns Gedächtniss die ausgedehnten Untersuchungen über die der Gruppe der Amidine zugehörigen sogenannten Anhydrobasen des Typus

 

Mit welchem Fleiss und mit welcher Gründlichkeit auch bei diesen Untersuchungen zu Werke gegangen wurde, ersieht man am besten aus den in mehreren Annalenabhandlungen zusammengefassten Ergebnissen. (Ann. Chem. Pharm. 208, 278, 209, 339, 210, 328.)
Anknüpfend an ältere Arbeiten von A. W. Hofmann und Hobrecker zeigt Hübner, dass nur die Orthodiamine der aromatischen Reihe fähig sind, Anhydrobasen zu liefern. Nach verschiedenen Verfahren kann man diese erhalten. Entweder werden Orthonitroamidoverbindungen, welche ein Säureradikal in der Amidogruppe enthalten, reducirt und dann erwärmt, oder es werden fertig gebildete Orthodiamine mit Säureanhydriden oder wasserfreien Säuren erhitzt. Das letztere Verfahren ist wesentlich von Ladenburg in Anwendung gebracht, das erstere wird an mannichfaltigen Beispielen und mehrfach modificirt von Hübner durchgeführt.
Auf dem Weg, der zur Erreichung des endlichen Zwecks eingeschlagen wird, werden nun wiederum eine grosse Reihe werthvoller Beobachtungen gemacht. So finden wir ausführliche Angaben über die Nitrirung des Benzanilid und das Verhalten der isomeren Benznitroanilide, Benznitrotoluidine, Benznitronaphtylamine, Nitrodiphenyle, benzoylirte Amidophenole, Nitrooxanilide, Nitrooxtoluidide, Nitrosuccinanilide u.s.f. u.s.f., sowie deren entsprechende Reduktionsprodukte.
Die Anhydrobasen selbst, ihr Verhalten gegen Alkyljodide, sodann eigenartige Abkömmlinge der Basen, wie die Phenylenanhydrotoluylsäure

und deren Keton, u.a. werden auf das Genaueste untersucht. Isomerieverhältnisse, welche bei substituirten Anhydrobasen auftreten können, werden natürlich auch hier mit besonderer Vorliebe berücksichtigt und ausführlich behandelt und diese Ausführlichkeit entspringt nicht etwa dem Wunsche, diese Arbeiten quantitativ ausgedehnt zu machen, als vielmehr dem unabweislichen Bedürfniss, durch erschöpfende Mannichfaltigkeit möglichst grosse Klarheit in die zu behandelnden Fragen zu bringen.
Es fehlt hier an Raum, um alle zur Untersuchung kommenden Verbindungen auch nur summarisch aufzuführen, wer aber einen Blick in die erwähnten Abhandlungen thut, wird staunen über den Fleiss und die Ausdauer, die dazu gehörte, um eine solche Fülle von Material zu bewältigen.
Wir dürfen von den die organische Isomerie betreffenden Arbeiten Hübner’s nicht scheiden, ohne der letzten grösseren Abhandlung zu gedenken, welche seiner Feder entstammt und wenige Wochen vor seinem Tode eingelaufen ist (Ann. Chem. Pharm. 224, 331). In dieser Untersuchung, welche gemeinsam mit Tölle und Athenstädt ausgeführt wurde, wendet sich der Verfasser einem neuen Thema zu, nämlich dem Studium des Verhaltens tertiärer aromatischer Basen (wie des Bimethyltoluidin und Dimethylanilin) gegen Aethylenbromid. –
Weniger oft als in das Gebiet der organischen Chemie hat Hübner seine Arbeiten in das der unorganischen gelegt. Doch zeigen eine in Gemeinschaft mit Gueront ausgeführte Untersuchung über Chlorschwefel (Z. f. Chem. 1870, 455), gelegentlich welcher die Existenz des Chlorides S Cl2 neben S2 Cl2 sichergestellt wurde, sowie eine ältere Arbeit über den Cyanphosphor (Ann. Chem. Pharm. 128, 254, 132, 277), dass Hübner auch auf diesem Feld Fruchtbares zu leisten verstand.
Bei seiner Vorliebe für die Behandlung theoretischer Fragen kann es nicht Wunder nehmen, dass wir unter seinen Publikationen einer Reihe von Aufsätzen begegnen, welche fast ausschliesslich der Besprechung allgemeiner theoretischer Anschauungen gewidmet sind.
So entwickelt Hübner (Z. f. Ch. 1865, 475) seine Anschauungen über die Bedeutung, welche das Volumgesetz der Gase und Dämpfe für gewisse chemische Betrachtungen hat und macht darauf aufmerksam, dass die beobachtete „Werthigkeit“ der Elemente im Allgemeinen mit steigender Temperatur abnimmt. Später (Ann. Chem. Pharm. 169, 12) nimmt er noch einmal Veranlassung, seine Ansichten über den Begriff der Werthigkeit, über Molekularverbindungen und über die Natur der Krystallwasserverbindungen darzulegen. In einer Anderen interessanten Abhandlung handelt er über die Wirkung schwacher Säuren auf die Salze stärkerer (Ber. d. B. G. VIII, 466). Es wird durch das Experiment nachgewiesen, dass eine schwache Säure (Benzoesäure) eine stärkere (Nitrobenzoesäure), in Lösung, zu einem Theil aus Salzen austreiben kann und ferner wird es wahrscheinlich gemacht, dass die Menge der abgeschiedenen stärkeren Säure von der Menge der vorhandenen schwächeren Säure abhängig ist und so bildet diese Arbeit einen nicht unwichtigen Beitrag zu der Lösung der seit Bergmann’s und Berthollet’s Zeiten mit so vielem Eifer erörterten Frage nach dem Zustand mehrerer Verbindungen in einer Flüssigkeit.

Ueberblickt man das Lebenswerk Hübner’s, so sollte man glauben, dass die erstaunliche Thätigkeit als Lehrer und Gelehrter ihn vollauf in Anspruch nahm und ihm keine Zeit übrig liess zu anderen Dingen. So war es auch fast zwei Jahrzehnte hindurch. Hübner hatte sich kein Heim gegründet; seine Schüler waren seine Familie. Da lächelte ihm das Lebensglück; er hatte eine Gefährtin gefunden, die alle seine Ideale verwirklichte. Was er kaum zu erträumen gehofft, war zur Wirklichkeit geworden. Später als es sonst gewöhnlich zu sein pflegt, schloss er einen Lebensbund, dessen Freuden er darum auch um so inniger und dankbarer empfand. Am 20. März 1879 führte er Louise Peterson heim, eine Tochter von Gustav Peterson, des verstorbenen Direktors der Oberrechnungskammer in Potsdam. Im darauf folgenden Jahre beschenkte ihn seine junge Gattin mit Zwillingen und als ihm dann 1882 noch ein Sohn geboren wurde, war sein Glück vollkommen Jetzt erst war auch sein inneres Leben zum befriedigenden Abschluss gekommen und die volle Harmonie aller Neigungen hergestellt. Nun kannte er keine anderen Sorgen mehr als solche um das Wohl der Seinigen und entwand sich ihm ein Seufzer, so war es das Bedauern, nicht schon früher die volle Seligkeit des Daseins empfunden zu haben. In dieser Stimmung traf ich ihn, als ich nach 16jähriger Abwesenheit, im Jahre 1883, wieder nach Göttingen kam. Welch‘ ein entzückendes Bild bot sich mir dar. Da sah ich meinen alten Freund in einer Häuslichkeit, wie ich sie mir schöner, beneidenswerther nicht hätte denken können. Im Laboratorium immer noch derselbe rastlose Eifer wie damals, aber zu Hause angekommen, schien es, als hätte der gelehrte Mann all‘ sein Wissen draussen gelassen und hätte nur Augen und Theilnahme für seine kleinen Sprösslinge. Und waren diese dann versorgt, so wurde aus dem Vater der liebende Gatte.
Fast in Allem gleich veranlagt und entwickelt, wie für einander geschaffen, hatte sich zwischen den Gatten die schönste Eintracht hergestellt, wo jeder Theil dem Andern zur Ergänzung diente und obwohl zur vollen Geltung kommend, doch für sich fast verschwand oder sich doch ganz unterzuordnen schien. Das Alles klang wie ein einziger, ausdauernder, herrlicher Akkord. Und wie entsetzlich schnell sollte dieser lautere Akkord zur grellen Dissonanz werden!
Im Herbste 1883 bezog Hübner die neue Dienstwohnung, die er so behaglich als möglich eingerichtet hatte. Der Garten am Hause gab ihm Gelegenheit zu allerhand Arbeiten und diente ihm und seiner Familie zur erquickenden Erholung. Alles schien sich aufs Schönste zu gestalten und noch am 11. Juli 1884 konnte seine Gattin seiner Mutter melden: „er ist so frisch wie selten sonst im Semester, der Garten thut ihm gewiss gut. Am Sonntage den 13. Juli hatte er eifrig an der Durchsicht einer Dissertation gearbeitet, um den Abend für die Seinigen frei zu haben. Es war ein ungewöhnlich schwüler Tag. Die ganze Familie machte sich auf zum Spazierengehen, da aber bald ein drohendes Gewitter heraufzog, beschloss man rasch nach Hause zu kehren. Hübner führte seine zwei Söhnchen an der Hand; „lass uns schneller gehen, damit die Kinder nicht nass werden“, sagte er zu seiner Gattin, stolperte dabei und fiel hin, die Söhnchen mit sich niederreissend. Die Gattin mit dem Töchterchen bleibt stehen und wartet bis er aufsteht. Konnte sie ahnen, dass das die letzten Worte waren, welche sie von ihrem Gatten vor dem Tode hören sollte? Endlich wird das Warten zu lang; ein vorübergehender Soldat hilft der selbst hilfsbedürftigen Frau den Mann aufheben und nun erst wird sie gewahr, wie furchtbar er sich verändert hatte. Fremde Leute trugen den inzwischen schon Verschiedenen in das nächste Haus; es war dasselbe Haus in der Bürgerstrasse, in welchem er einst gewohnt hatte und nun noch einmal als todter Gast einkehrte. Aerzte wurden gerufen, allein sie konnten nicht mehr helfen. Ein Herzschlag hatte seinem Leben ein Ende bereitet. Die Sektion ergab eine Verknöcherung der Herzarterien und es ist fast ein Wunder, dass er nie gelitten. Seine äusserst mässige Lebensweise hatte ihn vor allen Schmerzen bewahrt. Drei Wochen, nachdem man ihn, unfern seines berühmten Vorgängers, zur ewigen Ruhe gebettet, wurde ihm ein Sohn geboren. Wie hatte er sich auf dieses Ereigniss gefreut und nun hat der jüngste Sohn seinen Vater nicht einmal im Tode gesehen.·Armer Freund, Du bist zu glücklich gewesen; die Götter beneideten Dich um Dein Schicksal.
So gelangte ein Leben schmerzlos zum Abschluss, dem äusserer herber Schmerz, dem bittere Entbehrungen und Entsagungen erspart geblieben zu sein scheinen. Vielleicht verlieh gerade dieser Umstand seiner Persönlichkeit jene Heiterkeit klassischer Lebensanschauung, die den Umgang mit ihm so anziehend machte; ein Wesen,·welches den feinen gesellschaftlichen Verkehr liebte und in dieser Gesellschaft stets und überall gesucht war.
Aber dass man sich dauernd, und je länger man ihn kannte, um so unwiderstehlicher, an ihn gefesselt fühlte, rührte wohl nicht von diesem glücklichen Naturell her, sondern war zunächst das Ergebniss einer besonders sorgfältigen Erziehung. Die Eltern, beide von seltener Begabung für schöpferische und sichtende Thätigkeit auf allen Gebieten rein menschlichen Wirkens und Schaffens, hatten bei der Ausbildung ihres Sohnes eine Harmonie in der Entwickelung aller Kräfte erstrebt, so umfassend, dass keine Richtung zum Verfolg zu gering geachtet wurde und doch bei keiner die Kenntniss an der Schale haften blieb. Eben darum erreichten sie eine Tüchtigkeit, die nicht in landläufigem Wissen oder Können bestand, sondern in dem, was ein umfassendes, harmonisches Wissen und Können erzeugt und im ganzen Sein der Persönlichkeit sich ausprägt. Diese gelangte, wie Jeder weiss, der mit Hübner selbst in Berührung gekommen, zum Ausdruck in einen von Kunstverständniss und Geschmack getragenen Feinsinn, der all‘ sein Thun, all‘ seine Gewohnheiten, die ganze Lebensweise durchdrang und sich im kleinsten·ebenso äusserte wie im grossen. Frei von jener, beim Gelehrten oft beklagten Einseitigkeit im Berufsfach, frei von jeglicher Ueberschätzung der Wissenschaft gegenüber den anderen Gebieten menschlicher Thätigkeit, lehnte Hübner es nicht ab, auch auf dem Kampfplatz der öffentlichen Angelegenheiten zu erscheinen; häufig unter dem Visir. Nicht zufällig fiel, wenn in Göttingen Verständniss und Sachkenntniss auf dem Gebiete irgend einer Kunst gesucht, oder patriotische Hingebung oder Organ für die kleine und schlichte Arbeit auf communalem oder gemeinnützigem Gebiete gesucht wurde, die Wahl auf den Chemiker Hübner.
Denjenigen übrigens, welche sich von dem Entschlafenen angezogen fühlten, waren diese glänzenderen Eigenschaften·doch nur die Zugabe zu dem, was seine Art eigentlich ausmachte. Verdeckt durch eine Schärfe und Unbeugsamkeit des Urtheils, die den Fernerstehenden sogar über die Natur der Persönlichkeit, deren Stärke die Kritik bildete, zu täuschen vermochte – war ein stilles, jegliches Hervortreten verabscheuendes Wohlwollen das Leitmotiv in seinem ganzen Wirken. Schon in dem, ihn allein umfassenden Hausstande versammelte der geborene Kinderfreund häufig die Jugend seiner näheren Bekanntschaft, ja machte seine Wohnung zum Lazareth, als eine mörderische Diphteritis seine jungen Freunde erfasste.
Dieser Zug lautersten Wohlwollens verlieh auch seiner Lehrtätigkeit einen seltenen Erfolg. Er war, wie kein Anderer, bereit, nicht nur selbst wissenschaftlich thätig zu sein, sondern wissenschaftlichen Sinn und Geist in Anderen zu wecken und zu pflegen. Denn das·Beste, was er konnte und besass, er verwendete es nicht in zurückgezogener Arbeit für sich allein, sondern theilte freigiebig nach aussen mit. So werden Hunderte von Schülern bereit sein, es dankbar zu bezeugen, mit welcher Sorgfalt Hübner sie in die Wissenschaft eingeführt, mit welcher Aufopferung er ihnen bei der Ueberwindung von Schwierigkeiten aller Art zur Seite gestanden, mit welcher Liebe und Hingabe er sie für die Aufgaben seiner Wissenschaft zu begeistern vermocht hat.
Die Darbietungen mannigfachster Art – sie sollten stets nur dem Empfänger bekannt werden – welche den Kranken erquickten, den Verzagten anfeuerten, dem Unbemittelten Muth machten, finden allein deshalb hier Erwähnung, weil sie darthun, dass in den Schülern ein hoher Grad von Empfänglichkeit für den Einfluss des Lehrers geweckt werden musste. Dieser erfasste nun seine Aufgabe nicht nur gewissenhaft und tief, sondern mit unverkennbarer Freudigkeit und ganzer Hingebung.
Seine Einwirkung war jedoch nie eine gemachte, kaum war sie bewusst gewollt; sie entwickelte sich von selbst, eben im tagtäglichen Verkehr des Laboratoriums.
Aber diese bestechende Freundlichkeit, die als Gefäss jeder Darreichung diente, war nicht etwa der Ausfluss jener landläufigen Gutmüthigkeit, welche Niemandem etwas abzuschlagen vermag. Sie war vielmehr der Ausdruck eines warmen Interesses an dem Eigenartigen im Menschen, die theilnehmende Freude an der Entwickelung Derjenigen, welche überhaupt entwickelungsfähig waren. Das Wesen dieser Einzelnen beschäftigte Hübner eingehend. In den Unterhaltungen mit seinen Freunden und Kollegen zeigte sich unverkennbar, wie er es liebte, seine Schüler förmlich zu studiren und dann der Entwickelung mehr durch Anregung als durch eigentlichen Unterricht Vorschub zu leisten, die Mauern des Vorurtheils niederzureissen, ohne Schonung, aber mit unbeschreiblicher Geduld, die Ansichten zu klären, Einseitigkeit und Engherzigkeit zu bannen, die Bahn frei zu machen für eignes selbständiges Forschen und Schaffen und so „sein eigen Sein zu seiner Schüler Sein zu erweitern.“
Und wenn man sagen kann, dass er die Wissenschaft nicht nur um ihrer selbst willen pflegte, sondern auch nach besten Kräften, ja oft genug bis an das äusserste Maass der körperlichen Kräfte, stets unverdrossen danach zu ringen bestrebt war, dass wissenschaftlicher Geist und wissenschaftliches Leben sich fortpflanzte auf die späteren Generationen – dann gilt auch von ihm gewiss das Wort, dass ihm ein Denkmal sicher ist, dauerhafter als Erz und vornehmer als marmorene Prachtbauten auf Grabmälern. Niemand hat wohl weniger als Hübner danach gegeizt, nach seinem Tode einen Lobredner für seine wissenschaftlichen Bestrebungen, eine Anerkennung und Würdigung seiner Leistungen zu finden, das entsprach nicht der Persönlichkeit, nicht dem edlen und uneigennützigen Charakter des Mannes: Niemand wird aber sicherer sein dürfen, dass die Anerkennung und Dankbarkeit für das, was er geschafft und gethan, nie erlöschen wird in den Herzen derer, die als seine Schüler seinen zu frühen Heimgang betrauern.

St. Petersburg, den 16. December 1884.

F. Beilstein

[zur gedruckten Publikation: Nekrolog auf Hans Hübner]


  • Zeitungsmeldung der Universität Göttingen:

Gruppenfoto mit Studenten

 

Semesterabschlussfoto F. Wöhler mit Doktoranden und Dozenten vom 30.6.1863 (F. Wöhler 2. v.re., H. Hübner, 2. v. li. beide in der obersten Reihe). Deutscher Privatbesitz |  © Digitalisat von 2018: Forschungsprojekt HANS

Concert im Wöhler’schen Laboratorium

Nicht nur Hans Hübner brachte eine künstlerische Begabung mit. Es gab seinerzeit viele Studenten und Lehrende, die Instrumente spielten und in Kunst, Kultur und anderen Disziplinen sehr bewandert waren. Für das Konzert im „Wöhler’schen Laboratorium“ und nachfolgend wiederholt als Benefizkonzert am 6.6.1858 in Adelebsen – einem Vorort von Göttingen – gab es sogar ein gedrucktes Programm, aus dem die Beteiligten hervorgehen.

Die „Interpreten“ am 6. Juni 1858:

  • C. Fabian, Sprecher
  • Dr. Beilstein, Klavier
  • Hr. Knothe, Bass
  • C. Piper, Klavier
  • Hans Hübner, Violine
  • Hr. Knop, Tenor
  • Hr. C. Harrer, Bariton
  • Hr. Wohlwill

 

Konzertnotiz in der Zeitung:

Unterhaltungs- und Anzeigenblatt für Göttingen und die Umgegend N° 46 v. Mi. 9. Juni 1858.

Namensvariationen

„Julius Anton Eduard Johannes (Hans) Hübner“ – kurz Hans Hübner
Das ist der offizielle und von seinen Eltern gewollte Namen von Hans Hübner. In unserer Forschungsarbeit zu Personen des 19. Jhdts. stellen wir allerdings nicht nur bei Hans Hübner fest, dass von Geburt an – oft auch bedingt durch die handschriftliche Ausfertigung von Urkunden – die Namen (Vornamen aber sogar auch die Schreibweise von Nachnamen, z.B. bei Heinrich Siesmayer) stark variieren.
Das beginnt bei Hans bereits in der Geburtsurkunde 1, wo selbst der Vater Julius Hübner als Julius „Hübener“ notiert und korrigiert ist und dieser Fehler es bis in die Taufurkunde2 schafft.
So sind bei Hans Hübner schon zwischen Geburts- und Taufurkunde erste Abweichungen festzustellen, die ihre Fortsetzung gleich in der Konfirmationsurkunde3 finden. Dort findet man „Hans, (Johannes), Eduard falsch korrigiert in Edward, falsch Emil ! korrigiert in Julius Hübner“, mal ganz abgesehen von der Reihenfolge….

Fehlerhafte Konfirmationsurkunde

Sehr schnell wird bei ihm immer wieder z.B. aus dem Eduard rein aus der Handschrift heraus ein falsch abgelesener „Edward“, der sich gerade im universitären Bereich offenbar fast unauslöschlich bis zu seinem Tode erhält.
Das setzt sich dann fort bis hinein in Adressverzeichnisse, Zeugnisse, Promotionsurkunden, Veröffentlichungen und sogar Nachrufe4, wie im Fall von Hans Hübner, wo Friedrich Konrad Beilstein seinen Freund und geschätzten Kollegen in vielen Facetten seines Lebens genau kannte, die vielen (bei Hübners üblichen vier) Vornamen in der Nennung aber dem Verlag überlässt, der prompt auch hier den „Eduard“ zum „Edward“ macht.
Bei Hans Hübner kommt die belegte Tatsache hinzu, dass Hans Hübner seinen Vor- und Rufnamen „Johannes“ als „zu weich“ empfand und sich früh (ab ca. 1850 in seinen Briefen) Hans nannte und so genannt werden wollte.

Einige Interessierte stellen sich die Frage, was richtig ist, wonach man sich richten soll.
Bei Hans Hübner sind wir in der guten Lage, dass sich die meisten Urkunden im Original erhalten haben und wir auch aus dem „Familienbuch“ seines Vaters den freudigen Eintrag seiner Geburt nebst allen seinen von den Eltern ihm zugedachten Namen und Paten zweifelsfrei nachlesen können.
Und der Vorname „Eduard“ zudem auf seinen Paten Eduard Bendemann verweist, wie Julius auf seinen Vater und Anton auf den Großvater Anton Bendemann.
Der Eintrag des Vaters und die Geburtsurkunde sind für uns der Maßstab, nebst Hans Hübners persönlichem Wunsch zum Rufnamen „Hans“. Entsprechend sind wir auf dieser Website durchgängig so verfahren:

Hans Hübner – Julius Anton Eduard Johannes (Hans) Hübner

 


1. Geburtsurkunde N° 958 v. 21. Januar 1838, Düsseldorf
2. Taufurkunde Düsseldorf 24. Januar 1838
3. Urkunde der Konfirmation, Dresden 10. April 1854
4. Nekrolog auf Hans Hübner von Friedrich Beilstein, Berlin 1884

Kunstwerke im Nachlass Hans Hübner: Die Weinsbergerin von Schadow

Hans Hübner war vielfältig interessiert, auch an Kunst und Kultur, sicherlich stark inspiriert durch das Künstlerleben und die Kontakte seines Vaters Julius Hübner. So war auch er in Künstlerkreisen zu Hause und umgab sich mit Kunst. In seinem Nachlass hat sich u.a. Gottfried Schadows Skulptur „Die Weinsbergerin“ erhalten, die letzte figürliche Arbeit des bereits halb erblindeten Schadow. Soweit überliefert, schenkte Julius Hübner sie seinem Sohn zur bestandenen Habilitation.
(siehe auch Lebenserinnerungen G. Schadow)

1845 Schadow, Gottfried (1764-1850) Die Weinsbergerin

Material: Bisquitporzellan
Maße: 400 mm hoch / Sockel 135 x 135 mm
Gewicht: 2780 g
Herstellung: KPM Berlin (Königliche Porzellan-Manufaktur,
wo sich die Gipsform, nicht aber die Arbeitsform lt. Modellwerkstatt bis heute erhalten hat.)

Auflage: 12 Stück (KPM-Modellbuch N°1870)
Preis um 1850: lt. KPM-Preisliste von 1849-1870:  8 Rthlr. 

Beschriftung vorne:
„Es ist Zeit: Eine will ich freijn.
Sie mußs wie die _ Von Weinsberg sein.“

Beschriftung verso:
„Gottfrid. Schadow.
1845.“

Provenienz: Nachlass Hans Hübner


aus G. Schadow Lebenserinnerungen:
„,… Noch hatte ich den Mut, eine kleine Gruppe zu modellieren nach der alten Erzählung, nach welcher Kaiser Konrad der Dritte die hartnäckigen Weinsberger über die Klinge springen lassen will, deren Frauen aber gestattet, ihr Kostbarstes aus der Stadt zu schaffen, worauf die Frauen, wie bekannt, ihre Männer auf den Rücken nahmen. […] Exemplare davon befinden sich in der königlichen Porzellanmanufaktur. So schloss ich meine Tätigkeit als Bildner, wie ich sie angefangen hatte, indem ich meine erste Arbeit nach der Rückkehr aus Italien auch für die Königliche Porzellanmanufaktur geliefert hatte. Wegen Schwäche des Auges mußte ich bei der Ausführung einen geschickten Eleven zur Hülfe nehmen.“ [171]


Die Geschichte dazu:

Im Jahr 1140 lag der Stauferkönig Kaiser Konrad III im Krieg mit dem Bayerischen Herzog Welf. Konrads Heer zog vor die Burg Weinsberg und belagerte diese. Denn die Weinsberger Bürger waren dem Bayerischen Herzog treu ergeben. Hunger kam auf bei den Belagerten, aber sie waren nicht bereit, aufzugeben.

Konrad drohte, am nächsten Morgen die Feste einzunehmen und allesamt zu töten. In der Nacht vor dem Sturm schlich sich eine junge Weinsbergerin ins feindliche Lager, um Konrad um Schonung zu bitten. Der König ließ sich gnädig stimmen und gewährte allen Weibern, vor der Eroberung die Burg zu verlassen und dabei mitnehmen zu dürfen, was sie tragen konnten.

Am nächsten Morgen staunte Konrad nicht schlecht: Durchs Burgtor den Berg herab kam ein langer Zug von Frauen, und eine jede trug ihren Mann auf dem Rücken. Da musste der König über die List der Frauen lächeln, und als sein Neffe Friedrich Einspruch erheben wollte, sagte er: „Lasst sie in Frieden ziehen. Am Wort des Königs soll man nicht drehen und deuteln!”

Mehr zum Thema im Goethezeitportal: